Apfel, gemalt mit Doodledroid auf Galaxy Tab

In unserem gestrigen Beitrag hatten wir auf die Rede von EU Kommissar  Joaquín Almunia vom 10. Februar hingewiesen, in der er auf die Bedeutung von FRAND-konformen Lizenzen (“fair, reasonable, and non-discrimiatory”)  für einen freien Wettbewerb im Bereich von Technologie-Standards in deutlichen Worten zu sprechen kam. Demnach soll durchgesetzt werden, dass Standards für alle Marktteilnehmer offen gehalten werden, indem Standard-essentielle Patente zu vernünftigen (FRAND) Bedingungen lizensiert werden müssen.

Die Bedeutung dieser politischen Agenda kann man sehr gut anhand des seit Monaten tobenden ‘Smartphone War’ erkennen, an dem inzwischen nahezu alle Schwergewichte der Internet- und Mobilfunk-Brache beteiligt sind, so auch Apple, Samsung, Google, Motorola, Microsoft, Nokia und HTC.

Zunehmend wird dieser Patentkrieg auch in Deutschland ausgefochten – weltweite Beachtung erhielt zum Beispiel die im vergangenen November vom LG Düsseldorf festgestellte Verletzung eines Apple-Geschmacksmusters durch das Samsung Galaxy Pad 10.1, die für das inzwischen gestalterisch nachgebesserte Galaxy Tab 10.1N jedoch nicht mehr vorliegt -, da das hiesige System der Durchsetzung von gewerbliche Schutzrechten vergleichsweise preiswert und effizient ist.

Gerade erst am 16. Februar hat die Patentstreitkammer des LG München I eine einstweilige Verfügung gegen Motorola-Smartphones aus dem Patent EP 1 964 022 B1 zugunsten von Apple erlassen. Motorola drang demgegenüber mit einen Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Apple aus dem UMTS-Patent EP 1 053 613 B1 am 3. Februar vor dem LG Mannheim durch, scheiterte dann aber am 10. Februar doch noch vor dem OLG Karlsruhe.

Die in dem einleitenden Google-Trends-Diagramm unseres gestrigen Beitrags gezeigten Markierungen A und B betreffen Ereignisse im November 2011 und Februar 2012, die das Thema FRAND im Zusammenhang mit dem Smartphone-Krieg auch der interessierten Öffentlichkeit ins Bewusstsein rief.

Apple schlägt ETSI FRAND-Bedingungen vor: Am 11. November 2011 forderte Apple das Europäischen Instituts für Telekommunikationsstandards (ETSI) in einen Brief auf, Leitlinien zu erlassen, wonach Mobilfunk-essentielle Patente zu FRAND-Bedingungen lizensiert werden müssen. Apple ging es dabei – nicht ganz uneigennützig – insbesondere um Lizenzgebühren, die an den durchschnittlichen Endpreisen von Smartphones orientiert sind, und um eine Nichtangriffsverpflichtungen aus FRAND-lizensierten Patenten.

Apple fordert FRAND-Linzenzen von Samsung: Im gleichen Monat begann die EU Kartellbehörde (Generaldirektorat Wettbewerb) mit Befragungen von Samsung hinsichtlich möglichen Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung aufgrund von 3G-Mobilfunk-essentiellen Patenten des koreanischen Konzerns. Die EU Kommission ist auf diesen Sachverhalt möglicherweise erst durch den Hinweis von Apple in einem von Samsung in Kalifornien angestrengten Verletzungsverfahren aufmerksam geworden, wonach sich Apple bei Samsung monatelang vergebens um eine FRAND-Lizenz bemüht habe, obwohl sich Samsung gegenüber ETSI genau dazu verpflichtet hatte. Im Januar schließlich kündigte die EU-Kommission eine formelle Untersuchung gegen Samsung an, da die Koreaner mit ihren 3G-Patenten den Wettbewerb in Binnenmarkt möglicherweise behindert haben.

Google versichert IEEE FRAND-Bereitschaft: Im Februar wurde bekannt, dass sich auch Google an Standardisierungsorganisationen gewendet hat (vgl. Schreiben an IEEE), um diesen zu versichern, dass die durch den Kauf von Motorola an Google gefallenen Mobilfunk-essentiellen Patente weiterhin zu FRAND-Bedingungen lizensiert werden können. Die Wirkung dieser Zusicherung blieb nicht aus, denn am 13. Februar hat die EU Kartellbehörde grünes Licht für die Übernahme von Motorola gegeben, ebenso wie das US Justizministerium (vgl. Google-Blog-Eintrag). Die Presseerklärung der EU Kommission folgte natürlich genau den Leitlinien der angesprochenen zitierten Almunia-Rede drei Tage zuvor (vgl. hier) und wies insbesondere auf die EU Richtlinien zu horizontalen Vereinbarungen aus 2010 hin (vgl. IP/10/1702 und MEMO/10/676), die bereits unterstrichen, dass die EU Kommission Lizenzen zu FRAND-Bedingungen als wesentliche Voraussetzung für ungehinderten Zugang zu standardisierten Technologien betrachtet.

Nichtangriff als FRAND-Bedingung: Inzwischen hat auch Microsoft nachgezogen und gegenüber den Standardisierungsorganisationen eine ähnliche FRAND-Zusicherung für die Lizensierung von Standard-essentiellen Patenten abgegeben. Im Gegensatz zu Google ist Microsoft allerdings bereit, der von Apple geforderten Nichtangriffsverpflichtung aus FRAND-Patenten zuzustimmen (vgl. Erläuterungen von Microsoft). Selbiges gilt auch für den Netzwerkausrüster Cisco, der in einem Schreiben and ETSI kürzlich seine Unterstützung für Apples Position  deutlich gemacht hat.

Es besteht also unter den großen Playern ein Konflikt darüber, ob eine Nichtangriffsverpflichtung Bestandteil eines FRAND-(Kreuz)Lizenzvertrags sein soll. Während Apple, Microsoft und  Cisco das befürworten, ist Google dagegen.

Google will sich offenbar nicht in seinen neuen taktischen Möglichkeiten beschränken lassen, die das soeben von Motorola erworbenen Patent-Portfolio hinsichtlich gerichtlicher Schritte bietet. Der Einsatz solcher Mittel insbesondere im Zusammenhang mit Standard-essentiellen Patenten ist jedoch ein zweischneidiges Schwert, wie die nun anstehende Untersuchung der EU Kommission gegen Samsung und die oben zitierten Bemerkungen von Wettbewerbskommissar Almunia zeigen.

Apple fordert von Motorola FRAND-Lizenzen: Ebenso wird sich Google seine Gedanken über einen weiteren Sachverhalt machen müssen, der gestern bekannt wurde. Apple hat nämlich, nachdem die EU Kommission aufgrund des Vorwurf des Missbrauchs Standard-essentieller Patente eine formelle Untersuchung gegen Samsung eingeleitet hat, nun ähnliche Vorwürfe auch gegen Motorola erhoben, wie einem Bericht an die US Börsenaufsicht zu entnehmen ist:

On February 17, 2012, the Company received a letter from the European Commission, Competition Directorate-General, (the ‘Commission’) notifying it that the Commission has received a complaint against Motorola Mobility, Inc. (‘MMI’) by Apple, Inc. (‘Apple’) regarding the enforcement of MMI’s standards-essential patents against Apple allegedly in breach of MMI’s FRAND commitments. Apple’s complaint seeks the Commission’s intervention with respect to standards-essential patents.

Apple beschwert sich bei der EU Kommission darüber, dass Motorola, das bis zu 2,25 Prozent vom IPhone-Umsatz an Lizenzgebühren fordert (vgl. hier), nicht bereit sei, seine UMTS-Standard-essentiellen Patente zu FRAND-Bedingungen gegenüber Apple zu lizensieren. Apple, das bereits im letzten November in einem Schreiben an die EU Kommission grundsätzlich FRAND-Lizenzen an Mobilfunk-essentiellen Patente forderte, rennt damit bei EU Kommissar Almunia offene Türen ein (vgl. hier), der kürzlich die Genehmigung der Übernahme von Motorola durch Google durch die EU Kommission noch mit unverhohlen drohendem Ton kommentiert hatte:

Nach sorgfältiger Prüfung stehen Übernahme selbst keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken entgegenstehen.  Natürlich wird die Kommission weiterhin ein wachsames Auge auf das Verhalten aller Marktteilnehmer in diesem Bereich richten, vor allem was die zunehmende strategische Nutzung von Patenten betrifft.

Genau dieses wachsame Auge der EU Generaldirektion Wettbewerb wird sich jetzt Motorolas oben skizziertem Umgang mit seinen Standard-essentiellen Mobilfunk-Patenten widmen müssen.

 

UPDATE 23.02.2012: Nun hat sich auch Microsoft über die Praxis von Motorola bei der EU Kommission beschwert. Joff Wild, Chefredakteur des renommierten IAM Magazine wies gestern auf einen aktuellen Beitrag in einem offiziellen Microsoft Blog hin, der ankündigte, dass Microsoft auch hier Apples Standpunkt zu FRAND im Allgemeinen und Motorola im Besonderen unterstützt:

Microsoft filed a formal competition law complaint with the European Commission (EC) against Motorola Mobility and Google. We have taken this step because Motorola is attempting to block sales of Windows PCs, our Xbox game console and other products. Their offense? These products enable people to view videos on the Web and to connect wirelessly to the Internet using industry standards.

Man muss wahrlich kein Prophet sein, um anzunehmen, dass sich die EU Kommission der Motorolas Praxis in Kürze annehmen wird, insbesondere vor dem Hintergrund der aus sehr ähnlichen Gründen bereits gegen Samsung eingeleiteten Untersuchung und dem folgenden deutlichen Versprechen von Joaquim Almunia:

I can assure you that the Commission will take further action if warranted to ensure that the use of standard essential patents by all players in the sector is fully compliant with EU competition law and with the FRAND commitments given to standard setting organisations.

Es sollte niemand die Fähigkeit und Bereitschft der EU Kommission – und von Kommissar Almunia – unterschätzen, Verstöße gegen das EU Kartellrecht mit empfindlichen Strafen zu ahnden. der Schutz offener Märte durch das Kartellrecht ist von je her ein zentrales Anliegen der EU Kommission und eines, in dem sie einigen prominenten Marktteilnehmern schon das Fürchten gelehrt hat, was insbesondere Microsoft noch in Erinnerung sein dürfte.

 

(Bild 2011 purple0wl via Flickr unter einer CC Lizenz)

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Über den Autor

Volker Metzler

Patentanwalt, European Patent Attorney, European Trademark and Design Attorney, Informatiker, Blogger, Partner von k/s/n/h

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