3D-Scanner

In meiner kleinen zuvor angekündigten Reihe über rechtliche Aspekte des 3D Printing komme ich heute auf die Frage zu sprechen, ob die Hersteller von Gerätschaften es hinnehmen müssen, wenn Ersatztreile davon – vom Brillengestell über Smartphone-Gehäuseteile bis hin zu Rastenmähermotor-Abdeckungen – gescannt und die daraus resultierenden 3D-Datenmodelle über das Internet frei verteilt werden.

Falls die Vorhersage von Auguren, dass 3D-Printer in überschaubarer Zukunft auch in zahlreichen Privathaushalten anzutreffen sein werden, sich bewahrheitet, stellt sich die Frage, woher die Betreiber dieser Geräte dann die 3D-Datenmodelle beziehen werden, um das Equipment auch praktisch nutzen zu können. Man wird wohl damit rechnen können, dass diese Modelle nur zu einem kleineren Teil von den Druckerbetreibern selber erstellt werden. Es wird sicher für die Betreiber darüber hinaus interessant sein, Gegenstände nach Datenmodellen herzustellen, die man von Dritten bezogen hat. Ferner gehört nicht sehr viel Phantasie dazu, sich auszumalen, dass es bald auch internetbasierte Tausch-Sites geben wird, auf die man selbstgescannte 3D-Datenmodelle hochladen kann und über die solche 3D-Datenmodelle auch wiederum öffentlich zum Herunterladen angeboten werden.

An dieser Stelle möchte ich die Fragestellung zunächst auf einen engeren Sonderaspekt begrenzen. Dabei stelle ich mir vor, dass ein erheblicher Teil privater Betreiber von 3D-Druckern irgendwann einmal in die Lage kommen könnte, ein bereits gekauftes, aber defektes Gerät durch Herstellen eines Ersatzteiles reparieren zu wollen. Ein eher triviales Beispiel wäre ein hinterer Gehäusedeckel eines Smartphones. Wenn er zerbrochen ist, kann man das Smartphone kaum noch nutzen; eine Reparatur mit Klebeband ist häßlich, und der Hersteller des defekten Gerätes hat mitunter kein Interesse, solche Ersatzteile zu einem vernünftigen Preis anzubieten.

Vielleicht sind in ein paar Jahren auch preisgünstige 3D-Printer so weit fortgeschritten, dass man mit ihnen ein derartiges Ersatzteil fertigen kann, welches nicht nur die Geometrie des Originals nachbildet, sondern auch hinreichend toleranzarm geformt und mit brauchbarer Elastizität ausgestattet ist, so dass es funktional einen vollwertigen Ersatz für das zerbrochene Original bietet.

Aber woher bezieht der Betreiber eines solchen 3D-Printers in einem derartigen Fall sein Datenmodell? Selbst wenn ein 3D-Scanner unmittelbar zur Verfügung steht, wird eine Vermesssung des defekten und zu ersetzenden Teiles vielfach nicht weiterhelfen.

Man könnte dann versuchen, beispielsweise aus dem Freundes- oder Bekanntenkreis jemanden zu finden, der ein identisches Gerät besitzt, um ein unbeschädigtes Gehäuseteil auszuborgen, das dann gescannt werden kann. Aber auch wenn diese Bemühungen im Einzelfall vom Erfolgt gekrönt sind, bleibt festzuhalten, dass die Datenbeschaffung subjektiv mühsam werden kann.

Eine Möglichkeit, mit dieser Situation umzugehen, bestünde für involvierte Individuen darin, nach erfolgreichem Auffinden eines unbeschädigten Originals und dem eigentlichen Scanvorgang die daraus gewonnenen Daten eines entsprechenden 3D-Modells auf einer Website unter genauer Angabe der Typenbezeichnung des betreffenden Gerätes zum freien Herunterladen anzubieten. Dies geschähe dann in Analogie zum Prinzip der Freien Software in der Hoffnung, dass sich Nachahmer finden, die andere Datenmodelle auf gleiche Weise publizieren, so dass im Laufe der Zeit ein frei verfügbarer Fundus an 3D-Datenmodellen von mechanischen Teilen eines breiten Spektrums von Gerätschaften entsteht, aus dem letztlich alle Betreiber von 3D-Druckern insbesondere für ihren Eigenbedarf Nutzen ziehen können.

In einem fortgeschrittenen Stadium müßte dieser Prozess allmählich zur freien Verfügbarkeit von Geometriedaten einer großen Anzahl von auf dem Markt befindlichen Geräten führen.

Für die Hersteller der betroffenen Geräte kann dies eine heikle Entwicklung sein. Möglicherweise hat man dort an der praktischen Verfügbarkeit von Ersatzteilen kein Interesse, weil man sich von der Irreparabilität älterer Modelle einen gesteigerten Absatz neuerer Produkte verspricht. Oder das Geschäftsmodell ist so ausgestaltet, dass die Mittelzuflüsse aus teuer verkauften Einzelteilen einen nicht zu vernachlässigenden Beitrag zum Betriebsergebnis bilden. Ausserdem wird es sich oftmals so verhalten, dass Geometriedaten von Einzelteilen veröffentlicht werden, die als solche unter Geschmacksmuster- oder sogar Patentschutz fallen. Die Aussicht, dass Dritte die frei verfügbaren Geometriedaten dazu nutzen werden, diese unter Schutzrechte fallenden Teile nachzubauen, dürfte bei den betroffenen Geräteherstellern für weitere Nervosität sorgen.

Aber kann das Entstehen von derartigen öffentlichen Geometriedatenbanken frei verkäuflicher Artikel überhaupt rechtlich unterbunden werden?

Eine definitive Antwort nach deutschem Recht kann hier nicht gegeben werden, denn soweit mir bekannt ist, gibt es noch keine einschlägigen Gerichtsentscheidungen. Aber einige herausgegriffene Aspekte sollen im folgenden beleuchtet werden:

Patentrecht: In Fällen, bei dem das gescannte Teil in den Schutzbereich eines Patentes fällt, könnte man diskutieren, ob das Anbieten der Geometriedaten eine mittelbare Patentverletzung nach § 10 Abs. 1 PatG darstellt (siehe auch hier). Dazu müßten die gescannten Geometriedaten des zum Einsatz bei der Nachfertigung per 3D-Printing prinzipiell geeigneten Datenmodells als “Mittel” im Sinne des § 10 PatG aufgefaßt werden, welches sich auf ein wesentliches Element der Erfindung bezieht, wobei derjenige, der diese Daten über das Internet herunterlädt, weiß oder es auf Grund der Umstände offensichtlich ist, dass diese Daten dazu geeignet und bestimmt sind, für die Benutzung der Erfindung verwendet zu werden. Aber der Bundesgerichtshof (BGH) hat im Jahre 2000 (allerdings in einem gänzlich anderen Kontext) einmal formuliert (BGH, Urteil vom 10.10.2000 – X ZR 176/98Luftheizgerät), dass unter “Mitteln” im Sinne des § 10 PatG [nur] körperliche Gegenstände zu verstehen sind, mit denen eine Benutzungshandlung im Sinne des § 9 PatG, also die unmittelbare Patentverletzung, verwirklicht werden kann. Und ein Datenmodell mit Geometriedaten ist sicherlich kein körperlicher Gegenstand. Zudem steht die mittelbare Patentverletzung nach § 10 PatG unter dem doppelten Inlandsbezug, d.h. sowohl das Anbieten oder Liefern der Mittel als auch die beabsichtigte Nutzung der Mittel muss im Inland erfolgen. Wenn der Server, auf dem die Geometriedaten gespeichert sind, im Ausland steht, erhebt sich die Frage, ob hier das das Anbieten oder Liefern der Geometriedaten im Inland erfolgt. Selbst wenn man unterstellte, dass auch Datenaggregationen wie ein 3D-Geometriemodell “Mittel” im Sinne des § 10 PatG darstellen können, und wenn man ferner annimmt, dass auch das Schaffen einer Möglichkeit zum Herunterladen der Geometriedaten über das Internet im Inland eine Brücke zur Verwirklichung des doppelten Inlandsbezuges schafft, bleibt noch die Hürde, aufzuzeigen, dass derjenige, der die Daten herunterläd, weiß, dass diese zum Fertigen eines patentierten körperlichen Gegenstandes geeignet und bestimmt sind oder aber das diese Eignung und Bestimmung offensichtlich ist. In diesem Zusammenhang wird viel davon abhängen, ob sich beim Entstehen einer Filesharing-Kultur von 3D-Daten im Internet plausible alternative Zweckbestimmungen herausbilden werden, auf die verwiesen werden kann.

Geschmacksmusterrecht: In Fällen, bei denen das gescannte Teil in den Schutzbereich eines Geschmacksmusters fällt, könnte man diskutieren, ob das Anbieten der Geometriedaten eine Geschmacksmusterverletzung nach § 38 GeschmMG darstellt. Absatz 1 dieser Bestimmung besagt, dass das Geschmacksmuster seinem Rechtsinhaber das ausschließliche Recht gewährt, es zu benutzen und Dritten zu verbieten, es ohne seine Zustimmung zu benutzen. Eine Benutzung schließt insbesondere die Herstellung, das Anbieten, das Inverkehrbringen, die Einfuhr, die Ausfuhr, den Gebrauch eines Erzeugnisses, in das das Geschmacksmuster aufgenommen oder bei dem es verwendet wird, und den Besitz eines solchen Erzeugnisses zu den genannten Zwecken ein. Der zentrale Begriff ist hier in diesem Zusammenhang offenbar der des Erzeugnisses. Können blosse Geometriedaten als Erzeugnis angesehen werden? § 1 Nr. 2 GeschmMG definiert ein Erzeugnis als industriellen oder handwerklichen Gegenstand, einschließlich Verpackung, Ausstattung, grafischer Symbole und typografischer Schriftzeichen sowie von Einzelteilen, die zu einem komplexen Erzeugnis zusammengebaut werden sollen. Aber ein Computerprogramm gilt ausdrücklich nicht als Erzeugnis, und das Erfordernis der Gegenständlichkeit eines ein Geschmacksmuster verletzenden Erzeugnisses legt den Schluss nahe, dass der Umgang mit digitalen Geometriedaten als solchen wohl keine Geschmacksmusterverletzung konstituieren kann. Offenbar wird auch in diesem Zusammenhang viel davon abhängen, ob sich beim Entstehen einer Filesharing-Kultur von 3D-Daten im Internet plausible alternative Zweckbestimmungen jenseits der Ausführung schutzrechtsverletzender Handlungen herausbilden werden, auf die verwiesen werden kann.

Solange die 3D-Geometriedaten von Privaten für nichtgewerbliche Zwecke eingesetzt werden, greifen die Schrankenbestimmungen (§ 11 Nr. 1 PatG;   § 40 Nr. 1 GeschmMG) des Patent- beziehungsweise Geschmacksmusterrechtes, und eine Schutzrechtsverletzung durch Nutzung der 3D-Daten zur Herstellung körperlicher Gegenstände scheidet ohnehin aus. Solange von einer späteren Nutzung der Geometriedaten durch Private für nichtgewerbliche Zwecke ausgegangen wird, scheint eine Gefährdung eines Geschmacksmusterschutzes durch Scannen und Distributieren von entsprechenden Geometriedaten kaum justiziabel zu sein, denn es gibt keinen per Gesetz geschaffenen Tatbestand der mittelbaren Geschmacksmusterverletzung. Anders könnte es selbst bei privaten, nicht gewerblichen Szenarien im Patentrecht aussehen, denn für den Tatbestand einer mittelbaren Patentverletzung ist es nicht erforderlich, dass eine auf den Umgang mit den [wesentlichen] Mitteln kausal folgende unmittelbare Patentverletzung tatsächlich stattfindet; die mittelbare Patentverletzung zielt auf einen abstrakten Patentgefährdungstatbestand. Aber, wie oben diskutiert, hängt die Beantwortung der Frage, ob eine mittelbare Patentverletzung im Zusammenhang mit der Distribution von 3D-Geometriedaten in Betracht kommt, viel an der Frage, ob die wesentlichen Mittel stets als körperlicher Gegenstand aufgefaßt werden müssen.

Falls das Bereitstellen von per Crowdsourcing eingescannten 3D-Daten von Unternehmen zukünftig einmal als Problem angesehen werden sollte, muss man wohl vor allem damit rechnen, dass im Vorfeld konkreter nicht-privater und gewerblicher Verletzungshandlungen mit der Erstbegehungsgefahr argumentiert und im Hinblick auf die Nutzer dieser Daten ein patent- beziehungsweise geschmacksmusterrechtlicher Unterlassungsanspruch geltend gemacht wird. Das Gespenst der Störerhaftung wird dann – wie auch jetzt schon im Urheberrechtsbereich – bei den ISPs, auf deren Infrastruktur Datenbanken mit 3D-Daten gehostet werden,  am Horizont auftauchen. Die derzeitige Unklarheit der Rechtslage wird daher möglicherweise das Entstehen von solchen 3D-Geometriedatenbanken behindern, auch wenn noch völlig offen ist, wie die höchtrichterliche Rechtsprechung die Sachlage am Ende beurteilen wird.

Dieser kurze Anriß einer Diskussion von Problemen des gewerblichen Rechtsschutzes in Szenarien, bei denen der Umgang mit digitalen Daten eine Schlüsselrolle spielt, mag erneut demonstrieren, wie sehr die derzeitige begriffliche Ausgestaltung des Patent- und Geschmacksmusterrechtes noch in den Vorstellungen körperlicher industrieller Produktion des XX. Jahrhunderts verhaftet ist.

(Photo (C) 2009 by Michael Fielitz (michfiel) via Flickr unter einer CC-BY-SA-Lizenz [2013-02-05])

 
Über den Autor

Axel H. Horns

Patentanwalt, European Patent & Trade Mark Attorney

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